"Quo vadis, Corona-Distanzunterricht?"

Warum Online-Unterricht endlich zum Standard an unseren Schulen werden muss

Vor dem Schulbeginn in Bayern rückt mit steigenden COVID-19-Fallzahlen die Möglichkeit stärker in den Fokus, dass der angestrebte Regelbetrieb als Präsenzunterricht nur kurze Zeit stattfinden könnte. Diese Sorge von Politik, Lehrpersonal, Eltern und Auszubildenden teilt auch der Digitalexperte Michael Pickhardt. Seine Forderung: "Wir brauchen für Distanzunterricht ein einheitliches und technisch sicheres Konzept, das verpflichtend ist, für alle gilt - und endlich als Standard-Baustein im Zuge der Digitalisierung unserer schulischen Einrichtungen genutzt wird."

Schule digital: Es gibt wenig Orientierung, viel Chaos und immer noch Ungleichheit

Aus den Erfahrungen des vergangenen Schuljahrs haben wir gelernt, dass die Schwierigkeiten und Berührungsängste zum Thema Online-Unterricht auf verschiedenen Ebenen liegen. "Man kann ja einen Distanzunterricht, der online stattfinden soll, nicht einfach nur anordnen", führt Michael Pickhardt aus: "Denn nicht jeder hat einen Computer zuhause. Über diese Ungleichheit hinaus, die soziale Gründe wie Auswirkungen hat, verfügt auch nicht jede Schule über eine gute Internet-Anbindung."

Der Digitalexperte appelliert an die Adresse der politisch Verantwortlichen: "Macht bitte endlich Eure Hausaufgaben! Spiegelt das, was längst digitaler Alltag ist, in den Schulen wider! Denn wäre dies so, würde die Corona-Problematik unter dem Aspekt des Distanzunterrichts kein Problem sein. Das ist keine neue Herausforderung, sondern wurde einfach in den letzten Jahren schlicht weggeschoben!" Er fordert: "Wir müssen das babylonische Durcheinander von technischen Tools auflösen, die im Einsatz sind - Zoom, Microsoft Teams, Schoolfox et cetera - und die ein sehr unterschiedliches Effizienz-Nutzen-Echo haben. In meinem Unternehmen sind viele Eltern mit schulpflichtigen Kindern tätig, die mir hier von einem völlig unterschiedlichen Stand der Schulen berichten. Da gibt es digitale Angebote, dort wird probiert, hier nicht - je nach Lust, Laune, Motivation und Wissensstand."

Michael Pickhardt, der sich seit Jahrzehnten mit Sicherheit in der Telekommunikationstechnik beschäftigt, betont hier noch einen Aspekt, der oft unbeachtet bleibt: "Viele dieser jetzt schnell eingesetzten Konferenzsysteme bergen ein hohes Maß an IT-Sicherheitsrisiken, wenn beispielsweise die anfallenden Daten nicht auf einem deutschen Server gespeichert werden, sondern irgendwo auf der Welt - ohne zu wissen, wer darauf Zugriff hat und was mit diesen Daten geschieht. Wer schaut denn noch bei meiner Video-Konferenz zu? Das kann und darf eigentlich für niemanden ein gutes Gefühl sein. Nur wer sich sicher fühlt und sicher ist, geht den digitalen Weg mit!"

Distanzunterricht: Er sollte ein digitales Leuchtturmprojekt an unseren Schulen sein

Die zum Schulbeginn 2020/2021 von der Politik vorgelegten Szenarien zur Möglichkeit von Distanzunterricht reichen Michael Pickhardt nicht aus: "Distanzunterricht spielt beispielsweise im bayerischen "Drei-Stufen-Plan" als Information für Eltern und Erziehungsberechtigte eine Nebenrolle. Der Blick in das zudem vorgelegte Rahmenkonzept zum Distanzunterricht mit seinen inhaltlich knapp gehaltenen sieben Punkten hilft hier ebenfalls nur bedingt weiter. Das kann für Eltern, Lehrer und Schüler schnell zur Katastrophe werden, falls Schulen von heute auf morgen keinen Präsenzunterricht anbieten dürfen und online funktionieren sollen." Sein Fazit: "Man scheint sich an Distanzunterricht in seiner Komplexität nicht wirklich heranzutrauen." Dem steht die Notwendigkeit gegenüber, sich intensiv damit zu beschäftigen.

"Der mobile "Heimarbeitsplatz", in der freien Wirtschaft schon länger beliebt, wird auch in der schulischen Umgebung eine sinnvolle Ergänzung zum Präsenzunterricht sein. Wir brauchen zur Schulung und Umsetzbarkeit von Distanzunterricht ein einheitliches und technisch sicheres Konzept, das verpflichtend für alle gilt - und endlich als Standard-Baustein im Zuge der Digitalisierung unserer schulischen Einrichtungen genutzt wird. Beim virtuellen Klassenzimmer - sei es das Live-Zuschalten von Experten, der gemeinschaftliche Sprachunterricht mit einer Schulklasse in Bordeaux oder bei einer interaktiven Besichtigung des Kolosseums - kann man die Lehrkräfte wie auch die Eltern und die Schüler allesamt mitnehmen und begeistern, so dass Digitalisierung aktiv gelebt wird. Das ist kein Corona-Notnagel, sondern es sollte die Schule von heute sein. Es wird aber wohl erst die Schule von morgen sein, weil unsere Politik es gestern verschlafen hat", fasst Michael Pickhardt zusammen.

Zukunft Deutschland: Bildung, Ausbildung und Wissen sind unsere wichtigste Ressource

Das Versäumnis, die Chancen von Online-Schulunterricht zu nutzen, reißt gewaltige Lücken in der Wissensvermittlung und Ausbildung unserer nächsten Generationen. Michael Pickhardt: "Viele Menschen reden immer noch von unserer Welt und der digitalen Welt, als ob diese außerhalb von uns läge. Nur: Wir leben in einer einzigen Welt - und die ist längst digital. Es ist dabei überfällig, dass wir nicht nur in die USA oder nach China schielen, sondern vor allem das in Deutschland längst vorhandene digitale Know-How nutzen, um das zukünftige Know-How unseres Landes zu sichern. Denn unsere wichtigste Ressource sind Bildung, Ausbildung und Wissen. Nur Notebooks einzukaufen, ist keine Strategie - sondern ein Zeichen von Hilfslosigkeit. Wir haben hier keine Zeit zu verlieren!"